Hier erfahren Sie mehr über
- Einen Traum
- Eine Vision, die keinen Arzt braucht
- Eine Utopie, die sich der Dystopie entgegenstellt
EIN PRAXISBEISPIEL
Die Uhr schlägt 1967, ich bin gerade zum Schulsprecher eines Eliteinternats gewählt worden und fahre zur ersten Bezirksschulsprechertagung, hinaus aus dem privilegierten Kokon in eine andere Vorstellungswelt, in der von Demokratie, Gleichberechtigung, Mitbestimmung die Rede ist, von Benno Ohnesorg, Rudi Dutschke, Habermas, Vietnamkrieg, Revolution, Aufbruch, neue Zeit usw.
Binnen weniger Stunden bin ich infiziert vom Virus der Weltverbesserung, einem Leiden, das mich bis heute nicht losgelassen hat, auch wenn es heute nicht mehr um Verbesserung, sondern um Rettung, vor allem aber um Weltverstehen geht.
Nach der Rückkehr in die alte Welt – die in den folgenden Jahren zu kollabieren scheint, Dutschke-Attentat, Bader-Meinhof usw. – selbst meine spätere erste große Liebe war begeistert im Pariser Mai von 1968 unterwegs – wurde ich: zum schwarzen Schaf. Ich sehe die entgeisterten Blicke, das Kopfschütteln noch vor mir, als ich frisch und fröhlich verkündete, wir wollten jetzt eine Schülermitverwaltung.
Ich zettelte eine kleine, lokale Protestaktion an, die so kläglich erstarb wie all die „Revolutionen“ und Proteste, die in den kommenden Jahrzehnten rund um den Globus aufflammten und nach Veränderung riefen.
Und ging in die innere Emigration, aus der ich erst erwachte, als ich die Institution mit Abitur in der Tasche endlich verlassen konnte.
VOM TRAUMA ZUM TRAUM
Das Trauma der erlebten Ohnmacht begann nun, allmählich, sich in den Traum von einer anderen Welt zu wandeln, was mich zum Nomaden werden ließ – der, wie Bruce Chatwin sagt, ursprünglich im Menschen angelegten Daseinsform. Diese Wanderlust ließ mich einmal um den Globus und mehrmals nach Indien reisen, Kulturen und Vorstellungswelten besuchen, Wissensgebiete und Philosophien durchstreifen und immer wieder die Begegnung mit Suchenden suchen, die das Bekannte abgestreift, Grenzen überschritten hatten … und mir ganz andere, fremde und „verrückte“ Welterklärungen lieferten.
Unterdessen war die „Alte Welt“, an der ich mir als Schüler eine blutige Nase geholt hatte, nicht untätig. Die Reaktion der steuernden politischen und wirtschaftlichen Kräfte des Westens auf die weltweiten Proteste wie etwa gegen den Vietnamkrieg der USA, auf alternative Lebensmodelle wie etwa der von der neuen Musik getragenen Hippie-Bewegung war … faszinierend effizient.
Während ich mich in der Münchner Lokalpolitik versuchte und mir auch in diesem Zusammenhang wieder Mitbestimmung aufs Panier schrieb, mich in Bürgerinitiativen engagierte, die sich kommunalen Fehlentwicklungen entgegenstellten (und sogar punktuell erfolgreich waren, etwa bei der „Rettung des Nikolaiplatzes“, der auch heute noch, fast 50 Jahre später, unbebaut geblieben ist), setzte auf der anderen Seite, in den transnationalen Großunternehmen, in den Staatsapparaten und in den nach dem 2. Weltkrieg geschaffenen internationalen Organisationen ein gewaltiger Lern- und Reaktionsprozess ein, ein Prozess, der später unter dem Begriff der Globalisierung sichtbar wurde, jedoch viel weiter, tiefer greifend angelegt war und das menschliche Dasein und die Biosphäre in all ihren Dimensionen erfasste, veränderte … und in eine selbstzerstörerische Bahn lenkte, an deren Ende wir heute vor einem Abgrund stehen.
GLOBALISIERTE FEHLENTWICKLUNG
Die Kernkraft in diesem weltweit auf die Lebensverhältnisse der Menschen und die Biosphäre einwirkenden Prozess war ein allgemeines Streben nach Normierung und Regulierung im Verbund mit Public Relations. Hierbei ging es anfangs vorwiegend um die Optimierung der Lieferketten und Produktivität für die großen Unternehmen und deren ungehinderten Zugang zu den Märkten der Welt – oder, ohne Euphemisierung, ausschließlich um Gewinnmaximierung, denn das WEF-Narrativ vom Stakeholder-Kapitalismus oder grüne Kürzel wie ESG und SDG waren noch nicht erfunden.
Naturgemäß war die Globalisierung nicht ohne entsprechende Absprachen und Einflussnahmen innerhalb internationaler Finanzorganisationen wie BIZ, WTO, Weltbank, IWF oder auch UN-Untergliederungen wie WHO und FAO zu bewerkstelligen.
In diesen gleichgerichteten Prozessen der Strategie- und Politikgestaltung gesellten sich zu den offiziellen internationalen Organisationen dann noch private Mitspieler wie die Bilderberg-Konferenz, die Trilaterale Kommission, später das Weltwirtschaftsforum, besser bekannt als WEF, sowie philanthropische Großstiftungen von Familien und Einzelpersonen. Letztere, vielfältig mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik und auch Intellektuellen, Wissenschaftlern, Technikern und Kulturschaffenden besetzte Szenerie, übernahm die Funktion von Scharnieren oder Membranen, über welche die Alte Welt die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse gestalten konnte.
ALBERT EINSTEINS GESETZ
Warum ich das schildere?
Nun, einerseits handelt es sich um die Fortschreibung und Perfektionierung eines kartellartigen, elitären Governance-Systems, das ich damals schon als Schüler eher intuitiv, aus der Motivation persönlicher Freiheit und politischen, heute würde ich sagen: ontologischen, Gründen kritisierte. Die Alte Welt von damals hat sich heute profitabler, umfassender, und gnadenloser neu erschaffen.
Andererseits wird heute offensichtlich, dass dieses Leitsystem, seine Grundannahmen und Treibermechanismen, die Menschheit in den Suizid führt, indem es die Biosphäre, besser: die ökologische Nische, in der Menschen leben können, zerstört – wobei die Lebensqualität des größten Teils der Menschheit für dieses transhumane Leitsystem nur eine marginale Rolle spielt.
Warum ist das so?
Die ausgerufenen Ziele sind doch ganz andere. Warum gelingt es nicht, mit den Mitteln einer hochentwickelten Wissenschaft und Wirtschaft, mit den ausgefeilten staatspolitischen und medialen Steuerungsmechanismen und trotz tausender wohlmeinender Vereinbarungen zwischen den „Führungskräften“ der Welt, die Biosphäre zu schützen, keine Kriege zu führen und dem Großteil der Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen?
Ich denke, dass es da durchaus ein Problembewusstsein gibt, doch die praktizierten und erdachten Lösungsmittel und -wege sind untauglich. Man meint, durch einen großen Reset der Probleme Herr werden zu können, indem man die Uniformierung/Normierung, Regulierung und Kontrolle ausweitet und intensiviert. Indem man die Führung des Leitsystems in die Hände einer kleinen, ausgewählten Gruppe von geschulten und gleichdenkenden „globalen Leadern“ legt.
Doch die Katastrophen der Umweltzerstörung, der Klimaerwärmung, der Verarmung, der Konflikte wird man nicht durch ein „mehr“ des Gehabten abwenden können, sondern wird sie durch das „mehr“ lediglich beschleunigen und verschärfen. Weil, wie Albert Einstein einmal treffend formulierte, „man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, die sie verursacht hat.“
Wir können die Welt nicht einfach auf die gleiche Weise retten, wie wir sie ruinieren!
Wir können nicht einfach, z.B. Afrika, weiter ausbeuten – z.B. unseren Müll dort entsorgen oder durch den Abbau von Seltenen Erden im Kongo neue Elektronik für „grüne“ Energietechnologie produzieren – und gleichzeitig den Planeten retten.
EIN RADIKALER NEUANFANG
Schließlich noch ein paar Zahlen über die Ressourcenver(sch)wendung, die mich überzeugt haben, dass die Menschheit einen Weg des Wahnsinns eingeschlagen hat, dass ein radikales Neudenken not-wendig ist:
- Die globalen Militärausgaben der Staaten der Erde zur Tötung von Menschen betragen jährlich (!) rund 3+ Billionen (3.000.000.000.000) US-Dollar
- Die globalen Ausgaben für die medizinische und pharmakologische Versorgung von Menschen betragen jährlich 10+ Billionen US-Dollar
- Die globalen Ausgaben für Regierungs-/Bürokratiesysteme zur Verwaltung und Steuerung von Menschen jährlich 30+ Billionen US-Dollar
- Jährlich werden 70+ Milliarden Tiere für den menschlichen Verzehr getötet, deren Nahrung auf 70% der Agrarfläche des Planten angebaut wird, was einen Umsatz von 1 Billion US-Dollar generiert
- Die Marktkapitalisierung der 100 größten Firmen der Welt betrug in 2021 mehr als 35 Billionen US-Dollar
- Elon Musk ist/war/ist der erste US-Dollar-Billionär der Geschichte … sic!
- Es ist unvermeidlich: Wir müssen neu anfangen, 50.000 Jahre menschliche Geschichte überdenken, herausfinden, „wo wir falsch abgebogen“ sind.
Wenn wir uns nicht konsequent und mit allen verfügbaren Ressourcen dieser Forschung widmen und versuchen, eine neue Philosophie der Wissenschaft, eine neue Theorie des menschlichen Bewusstseins/Geistes und eine neue gültige Theorie des Lebens zu entwickeln, sind wir verloren.
Wir brauchen ein neues Denken, ja wir brauchen eine neue Konzeption vom Denken, das in neuen Best Practices mündet, die in ein neues Verhältnis zur Wirklichkeit einbettet sind.
Ein Denken, das ein glaubwürdiges, nachvollziehbares Narrativ zu entwerfen vermag, mit dem wir uns die Fragmentierung unserer Wahrnehmung bewusstmachen können, deren Begrenztheit und immanente Widersprüchlichkeit oder Paradoxität anerkennen.
Damit Menschen sinnvoll und erfüllt auf dem Planten leben können, müssen wir uns auf eine gültige, in allen politischen Systemen, Kulturen und Ethnien anerkannte Antwort auf die Frage einigen können:
„Was macht das Menschsein aus? Wo ist der Mensch verortet und wie eingebettet in die Biosphäre mit Billionen von Mitlebewesen jeglicher Größe und Struktur, die sogar in uns selbst zuhause sind, die wir mit jedem Atemzug ein- und ausatmen, ohne die wir nicht leben können?“
DAS HUMAN PURPOSE VILLAGE PROJECT (THPVP)
Vor diesem Hintergrund ist das Konzept des Human Purpose Village Project entstanden, das die Aspekte eines guten Lebens im Dorfmaßstab, einer Forschungsstation oder eines Experimentierfelds und in gewisser Weise auch den Aspekt einer Arche vereint.
Ein Projekt, das über sich hinausweist und von einem Mosaik lokaler Projekte träumt („I have a dream“), die von einer gemeinsamen Idee beseelt sind. Die Erde und Gesellschaft muss die Heilung heute in der Kleinteiligkeit und Diversität suchen, nicht in einer einzigen Lösung, die verbreitet wird, sondern in einem weltweit vernetzten Ökosystem verwandter, intelligenter Lösungen, jede einzigartig an ihrem Ort.
Das Human EcoVillage Project soll die resilienten Rahmenbedingungen und Strukturen entwickeln, an denen sich gleichsam die Fragen hochranken und entfalten können, um die Früchte der Antworten ernten zu können, welche das Gefühl erzeugen: „Wir wissen als Menschen, warum wir hier sind und das tun, was wir tun“.
Das MenschenÖkodorf ist der Ort, an dem ein ganz normales soziales, kulturelles, wirtschaftliches und kommunitäres Leben stattfindet. In dem eine Dorfgemeinschaft einem ganz normalen Alltag nachgeht, jedoch auch die vorhandenen Ressourcen der Selbstentwicklung und -erkundung nutzt und an den Forschungsprojekten und -instrumenten in einem Feedbackprozess teilnimmt.
Mit seiner Wissenschafts-, Forschungs- und Bildungsinfrastruktur, mit seiner zukunftsweisenden Architektur, Dorfkultur, Technologie sowie seinen menschlichen und wirtschaftlich-finanziellen Ressourcen steht es mit den umgebenden bestehenden Systemen in einem intensiven Austausch erfüllt für diese eine Katalysatorfunktion.
DIE REALISIERUNG
Die Realisierung folgt dem biologischen Prinzip des Aufpropfens, d.h. die Erschaffung der äußeren Strukturen nutzt die konventionellen wirtschaftlichen, finanziellen und bautechnischen Prozesse der Immobilienentwicklung wie Unternehmensgründung, Finanzierung, Investmentkapital, Landerwerb, Planung, Werteschaffung, Vermarktung, Verkauf usw.
Die Realisierung liegt dabei in den Händen eines kompetenz-diversifizierten, hochkarätigen, internationalen Projektmanagements, das von einem Wissenschaftsbeirat begleitet wird.
Für das erste MenschenÖkodorf ist ein Umfeld sinnvoll, das im Hinblick auf Klima, geographische Lage, Biosphäre (Fauna/Flora), geopolitische Situation, historisch-kulturelles Erbe, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung möglichst günstige Bedingungen für einen Prototyp bietet.
DER LETZTE MENSCH
Als Friedrich Nietzsche vor 150 Jahren über den „letzten Menschen“ und darüber nachsann, wohin wir geraten würden, wenn wir so weitermachen wie bisher (und wir haben weitergemacht), ließ er den Zarathustra, den mystischen altpersischen Philosophen – der forderte, die Welt müsse auf Wahrhaftigkeit aufbauen, und dessen Lehren über das gute Denken, Sprechen, Tun die Grundlagen für unsere heutige Vorstellung von Ethik legten – die folgenden Sätze sprechen:
„Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann. Weil er meint, er könne alles tun, habe die Moral und die Gewalt und das Recht auf seiner Seite.“
„Es ist an der Zeit, dass der Mensch sich sein Ziel stecke. Es ist an der Zeit, dass der Mensch den Keim seiner höchsten Hoffnung pflanze. Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen können …“
… WENN WIR NICHT JETZT ANFANGEN …
Die vielen, hochinteressanten äußeren und inneren Aspekte des Human EcoVillage Projects werden in kommenden Ausgaben des Purpose Magazins in einer losen Folge weiter beschrieben. Man darf gespannt sein.
Wen das Gefühl bewegt, zu diesem Projekt in welcher Form, mit welchen Mitteln und in welchen Umfang auch immer beitragen zu wollen, wende sich bitte an: info@human-purpose-village.earth
Giò von Beust
Giò ist u.a. Bankkaufmann, Taxifahrer, Volljurist, Kommunalpolitiker, Weltreisender, Autor/Publizist/Verleger, Unternehmer/Realtor, Künstler, Gedankenalchimist, Wilddenker und Suchender.
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